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28.04. 2008

Neuro6

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Entwicklung der Aufmerksamkeit

 

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen psychischer und körperlicher Entwicklung. Die Entwicklungspsychophysiologie liefert biomedizinische Meßgrößen, welche körperliche Entwicklungs- und Reifungsgrößen in Bezug zur psychischen Entwicklung setzen. Mit diesen Messgrößen lassen sich psychische Entwicklungen z.B. informationsverarbeitende Prozesse und Leistungen anhand objektiver physiologischer Messungen darstellen. 

FrequenzbänderTab

Abb.: Maier, K., Ambühl-Caesar, G., Schandry, R. (1994), Seite 23

Eine wichtige Messgröße ist die hirnelektrische Spontanaktivität. Sie wird mit dem sog. Frequenzband (Wellentyp) gemessen. Der Frequenzbereich bewegt sich vom niedrigen Schlaffrequenzbereich von 0,5 - 4 Hz (Delta-Wellen ) mit allmählich ansteigender Frequenzzahl über Theta (5-7 Hz), Alpha (8-13 Hz) zum Beta-Bereich mit 14-30 Hz, welcher kennzeichnend für hohe Aufmerksamkeit / Erregung ist.

Im Säuglingsalter bewegt sich der größte Aktivitätsanteil noch im Theta und Delta-Bereich

Aus o.g. Tabelle ist zu entnehmen, dass dieser Frequenzbereich einem dösenden, schläfrigem Zustand entspricht.

In der kindlichen Entwicklung wird dann die langsame Theta-Aktivität  allmählich durch die schnellere Alpha-Aktivität substituiert.

Im ersten Lebensjahr werden die Aktivitätspotentiale komplexer und rhythmischer, sowie von differenzierteren Formen (kindliches Alpha) durchsetzt. Dies bedeutet, dass mit zunehmendem Lebensalter der Säugling eine zunehmend differenzierte „Wachheit” bzw. „Aufmerksamkeit”  und damit eine zunehmende Ausdifferenzierung der Gehirnfunktionen, erfährt. Mit dem Prozess der Erweiterung des kindlichen Lebensraumes geht eine Erweiterung und Vertiefung der biologisch messbaren Aktivitätspotentiale einher.

Entwicklung EEG-Grundaktivität

Abb.31.: Maier, K., Ambühl-Caesar, G., Schandry, R. (1994), Seite 119

Über die Messung der sog. Herzrate (HR) oder Herzfrequenz lassen sich Orientierungsreaktionen wie z.B. eine Aufmerksamkeitsreaktion messen. Eine Verlangsamung der HR indiziert dabei eine Orientierungsreaktion, eine Steigerung der HR eine Reizabwehr oder Defensivreaktion. Nach Messungen von Sroufe et al. (1973) haben Kinder zwischen 6 und 10 Jahren Schwierigkeiten ihre Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum aufrecht zu halten. In den Experimenten von Sroufe et al. war die Orientierungsphase nach einem längeren Vorwarnzeitraum ausgeblieben, d.h. die Herzrate hatte sich nicht verlangsamt.

Als weiterer biomesstechnischer Indikator von Informationsverarbeitungs- und Entscheidungsprozessen werden sog. „evozierte Potentiale” herangezogen.

EEG-Wellen laufen kontinuierlich, ohne erkennbare Sinnesreize ab. „Wird ein Sinnesorgan  künstlich gereizt,so strömen Aktionspotentiale zur Hirnrinde und lösen dort zusätzliche EEG-Wellen aus. Diese EEG-Wellen, die einem Sinnesreiz zugeordnet sind, heißen evozierte Potentiale.”[1]

Ãœber die Messung von ereigniskorrelierten Potentialen wird die Reaktionszeit auf „bedeutungsvolle” Inhalte gemessen. Dabei sind die von 250 bis 600 ms auftretenden Reize nicht bewusst. Unter 250 ms beginnend (der sog. P300 Komponente) werden bewusst wahrgenommene Reize mittels Potentialverschiebung gemessen. (Schaubild aus S. 224)


[1] Vgl..Speckmann, E.-J., Wittkowski ,W., (Hrsg.) 1994. Bau und Funktionen des menschlichen Körpers - Urban & Schwarzenberg, München

EreigniskorreliertesPotential

Abb.: Ereigniskorreliertes Potential (idealisiert) auf einen unerwarteten akustischen Reiz[1]

Man nennt den Abstand zwischen Reizbeginn und dem Extrempunkt eines Gipfels oder Tals die Latenzzeit. Damit bedeutet eine Latenzzeit von 600 ms (bei der sog. P300 Komponente), dass die durchschnittliche Reaktionszeit von 300 ms um weitere 300 ms überschritten wird. Die P 300 Komponente wird als Indikator für Reizselektion, Informationsverarbeitung bzw. Reizorientierung angesehen.

Entwicklungsphysiologisch betrachtet ist hier von Bedeutung, dass die Latenzzeit (bei Säuglingen über 600 ms liegend !) im Alter zwischen 6 und 15 Jahren pro Jahr um ~ 18,4 ms sinkt. Die Latenzwerte Erwachsener werden allerdings nicht vor dem 15. Lebensjahr erreicht. Dabei werden Reize bei Kindern kognitiv auch anders verarbeitet. So sind bei Kindern vermehrt Orientierungsreaktionen festzustellen. 

 â€žErwachsene sind geübter im Umgang mit neuen Reizen. Sie können diese, aufgrund ihres höheren Niveaus der Begriffsbildung, schneller und leichter klassifizieren und speichern.”[2]


  • [1] Vgl. Maier, K., Ambühl-Caesar, G., Schandry, R. (1994), Seite 224
  • [2] Vgl. Maier, K., Ambühl-Caesar, G., Schandry, R. (1994), Seite 150
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  Monika Armand --  Diplom Pädagogin -- Dürkopstr. 20 -- 33790 Halle (Westf.) --  Email: MonikaAr(at)web.de